Ausbildung zur Steuerfachangestellten – Ich würde immer wieder diesen Beruf wählen…
Abgedroschen oder ehrlich? Klar, auch der Beruf der/des Steuerfachangestellten hat seine Tücken. Denke man nur an die monatlich wiederkehrenden Termine, vorgegeben durch das Finanzamt, die Krankenkassen, das Bundeszentralamt für Steuern. Werden diese Termine überschritten und die Meldungen und Zahlungen zu spät eingereicht, folgen Mahnungen, Gebühren und Zinsen. Wer ist Schuld? Der/Die Steuerfachangestellte!
Andererseits hat dieser Beruf unendlich viele Facetten. Er ist interessant, abwechslungsreich, verantwortungsvoll und lehrreich. Als ich vor nunmehr fast 30 Jahren meine Ausbildung zur Steuerfachangestellten begann, wollte ich eigentlich Bankkauffrau werden. Weil ich dazu in ein anderes Bundesland umziehen wollte, wurde mir schnell bewusst, dass dort zuerst die „landeseigenen“ Bewerber den Zugriff erhalten sollten. So blieb ich in meinem Heimatort und erfuhr durch Zufall, dass der ansässige Steuerberater noch eine Auszubildende zur Steuerfachangestellten suchte. Sofort erhielt ich die Zusage.
Da ich als Schulabschluss das Abitur und zusätzlich den Besuch der einjährigen höheren Handelsschule nachweisen konnte, verringerte sich meine Ausbildungszeit von 3 Jahren auf entspannte 2 Jahre. Ein weiterer Vorteil war, dass ich zum wöchentlichen Schulbesuch nicht immer 50 Kilometer fahren musste, sondern mir den Unterrichtsstoff im Steuerbüro aneignen durfte. Mein Chef gab mir dazu den dafür vorgesehenen Schultag. Zu den Prüfungen musste ich selbstverständlich in Stuttgart bei der Steuerberaterkammer erscheinen. Auch Fortbildungen habe ich regelmäßig besucht. Hier knüpfte ich Kontakte und glich meinen Wissensstand ab.
Alles in allem war diese Ausbildung geprägt von dem Interesse, wie das Steuer- und Finanz-Verfahren in Deutschland funktioniert.
Liebend gern hätte ich nach wenigen Wochen Einarbeitungszeit gleich richtig losgelegt. Ich wollte nicht nur Buchhaltungen kontieren, ich wollte sie auch in den Computer eingeben, mit den Mandanten Gespräche führen, Rücksprachen mit dem Finanzamt halten etc.
Allerdings war meine beruflich sehr erfahrene Kollegin, die Buchhalterin Frau S., ganz anderer Meinung und so bestanden die ersten Monate nur darin, dass ich die Ordner mit den Buchhaltungsunterlagen bei den Firmen abholte und nach Bearbeitung wieder zurückbrachte. An einem Tag in der Woche sollte ich regelmäßig die von ihr kontierten Belege eingeben.
Öde, aber im Nachhinein betrachtet, doch sehr zweckvoll. Wir waren ein kleines Büro, bestehend aus dem Chef, der erwähnten Kollegin und mir. Sie hatte einen seltsamen Humor, aber auch ein großes Wissen. Und so war für mich schnell klar, dass Lehrjahre keine Herrenjahre waren. Ich musste mich mit ihr arrangieren, wollte ich von ihr lernen und ihr ebenbürdig werden. In einem großen Büro hätte sie ihr Interesse auf mehrere Personen verteilen müssen. Hier merkte ich, dass sie, je mehr ich konnte und wusste, mich immer mehr in meinem Tatendrang ausbremste. Sie wollte die Nr. 1 bleiben.
Schön war es, dass sich am Nachmittag häufig der Chef Zeit für mich nahm und mir den Ablauf der Erstellung einer Einkommensteuererklärung näherbrachte. Hochinteressant, bedenkt man, dass am Ende eine Steuer-Nachzahlung oder Erstattung das Ergebnis sein wird. Je mehr ich mich in die Materie einarbeiten durfte, desto mehr stieg mein Wissensdurst.
Ich wollte nicht „nur“ in einem Buchhaltungs- oder Lohn-Büro oder beim Finanzamt meine Ausbildung machen. Ich wollte das Bindeglied zwischen den Mandanten und den Ämtern sein. Genial! Du erfährst Einzelheiten zu den unterschiedlichsten Gewerben, lernst die beteiligten Personen kennnen, baust ein Vertrauensverhältnis auf. Fortan werden die Unterlagen sorgfältig bearbeitet und an die entsprechenden Stellen weitergeleitet. Kommen von dort Fragen, muss man spontan Auskünfte geben können. Die Buchhaltung allein ist noch längst nicht alles, was erledigt werden muss. In den Firmen arbeiten Angestellte, die monatlich ihren Lohn dafür haben möchten. Es müssen Lohnabrechnungen erstellt werden, Lohnsteuer-Anmeldungen an das Finanzamt geschickt werden, Krankenkassen-Meldungen weitergeleitet werden etc.
Das Interessanteste während der gesamten Ausbildungszeit zur Steuerfachangestellten war für mich die Erstellung des Jahresabschlusses der Firmen. Diese Verknüpfungen der unterjährigen Buchungen zu einem Ganzen, die Hinzubuchungen von Abgrenzungen, Rückstellungen, Abschreibungen. Das Ergebnis ist der Gewinn oder Verlust eines ganzen Jahres. Er bildet die Grundlage für die Gewerbesteuer, fließt in die Berechnung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer mit ein und beinhaltet die Berechnung der Umsatzsteuer.
Was für manchen Betrachter langweilig und mathematisch erscheinen mag, war für mich hochinteressant, lernte man doch damit die Hintergründe und Anwendung der Steuergesetze in der Praxis kennen.[sam id=“3″ codes=“true“]
Ohne die zahlreichen, intensiven Fortbildungen der Steuerberaterkammer wäre es schwierig geworden, die anspruchsvollen Prüfungen zu bestehen. Ein Streifzug durch alle Steuerarten oder ein Wochenendseminar mit den Inhalten „Von der Buchhaltung zum Jahresabschluss“ oder „Die Erstellung der Lohnbuchhaltung“ fordern sehr viel von den Azubis. Doch es zahlt sich aus, diese geballten Informationen in kürzester Zeit zu erhalten. Immerhin dreht es sich um einen Beruf mit Zukunft und Chancen.
Alle Türen stehen offen. Der/Die „fertige“ Steuerfachangestellte muss nicht zeitlebens in einem Steuerbüro arbeiten, er/sie kann auch in die freie Marktwirtschaft gehen oder zum Finanzamt oder einer anderen Behörde. Auch in den Rathäusern gibt es eine Steuerabteilung.
Fakt ist, dass für jede Berufsausbildung Engagement verlangt wird und auch Disziplin. Der Gedanke, man könnte die Prüfung bei der Steuerberaterkammer mit links schaffen, führt oft ins Nichts, sprich zu dem niederschmetternden Urteil „nicht bestanden“. Wenn ich noch einmal vor der Entscheidung stehen würde, ob ich eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten machen möchte oder nicht, würde ich mich wieder dafür entscheiden.
Nach fast 30 Jahren bin ich immer noch in diesem Beruf tätig. Es hat sich viel verändert, es ist meines Erachtens auch nicht leichter geworden, da alles kurzlebiger geworden ist und sich schneller ändert. Man muss ständig aktuelle Steuergesetze mit ihren Durchführungsverordnungen kennen und gleichzeitig auch vergangene und neu in Planung oder Änderung stehende. Das macht es anstrengend. Auch die Einhaltung der Steuertermine ist für so manchen Mandanten nach wie vor ein riesiges Problem. Ständiges Hinterher-Telefonieren, ab und an eine Fristverlängerung bei den Ämtern und dann das schnelle Verarbeiten der endlich eingereichten Unterlagen führt zu Stress und fordert höchste Konzentration. Am Ende des Tages aber steht auch ein schönes Resultat. Man hat es wieder einmal, wie im Monat und Vormonat und… zuvor auch, geschafft, pünktlich fertig zu werden. Langweilig ist dieser Beruf nie, deshalb ist er auch so interessant und empfehlenswert!
von Elke L. (49 Jahre – ehemalige Auszubildende zur Steuerfachangestellten)