Ausbildung zur Steuerfachangestellten? – Die Wahl des richtigen Ausbildungsberufes – Wenn man mich fragen würde, warum ich mich ausgerechnet für die Ausbildung zur Steuerfachangestellten entschieden habe, muss ich leider gestehen, dass weder ich den Beruf, noch dieser mich gewählt hat. Nachdem ich erfolgreich meinen Sekundarabschluss I absolviert hatte und eigentlich auch froh darüber war, erstmals nicht mehr in die Schule zu müssen, ging es ans überlegen, was ich im Anschluss machen oder werden möchte.
Mein erster Gedanke war es, weiter in die Schule zu gehen, mein Abitur zu machen, um anschließend Musik zu studieren, da diese mit Dato meine große Leidenschaft war. Da mir allerdings von mehreren Seiten angeraten wurde – vor allen Dingen war es meine Mutter die mich endlich in Lohn und Brot zu sehen wünschte -, doch lieber eine Lehre zu machen, habe ich überlegt, was mir, abgesehen von der Musik, noch gefallen könnte.
Eine Freundin von mir befand sich zum damaligen Zeitpunkt in der Lehre zur Zahntechnikerin und schien wirklich Spaß an ihrer Arbeit zu haben. Angesteckt von ihrem Enthusiasmus, bewarb ich mich für eine Ausbildung in diesem Bereich, doch leider erhielt ich, trotz eines guten Abschlusszeugnisses, zahlreiche Absagen. Da es langsam eilte und ich nicht länger unnötig meinen Eltern zu Hause auf der Tasche liegen wollte, fing ich an zu recherchieren, was ich sonst noch mit einem regulären Realschulabschluss machen könnte. Da ich tendenziell nicht der handwerklich begabte Typ bin, blieben somit nur noch Berufe im kaufmännischen Sektor zur Wahl übrig. Steuerfachangestellte war allerdings noch nicht dabei.
Ich fokussierte mich auf die Ausbildung zur Bürokauffrau, doch auch da blieben meinen Bewerbungen entweder unerhört oder wurden abgewiesen. Letztendlich empfahl mich ein Bekannter dem Steuerbüro, in dem ich dann später meine Lehre anfing. Ich kam nach Hause, wurde gebeten schnellst möglich meine eigens für Bewerbungsgespräche besorgte Kleidung anzuziehen, da ich binnen einer halben Stunde ein Vorstellungsgespräch in einem ortsansässigen Steuerbüro haben sollte. Gesagt, getan. Selbstverständlich konnte ich mich nicht großartig vorbereiten und ging somit recht unvoreingenommen an die Sache ran. Meinem zukünftigen Chef erklärte ich die Situation und er reagierte alles andere als negativ, sondern fand mich offenbar sympathisch und war sich der Tatsache bewusst, dass viele Jugendliche keinerlei Ahnung haben, was auf sie in der Ausbildung zukommt. So erhielt ich eine Stunde später einen Anruf , dass ich im August die Ausbildung bei ihm beginnen könnte. Euphorisch über den Zustand, nicht mehr arbeitssuchend zu sein, besorgte ich mir direkt nach der Vertragsunterzeichnung sämtliche Bücher, die ich für die Ausbildung und die Berufsschule brauchte.
An meinem ersten Ausbildungstag war ich sehr nervös, doch die freundliche Begrüßung meiner neuer Kollegen und die mir zugeteilten Ausbildungsleiterinnen ließen mich meine anfängliche Furcht vor dem doch recht großen Büro schnell vergessen. Mir wurde in langsamen Schritten erklärt, was ich zu tun hatte. Natürlich fing ich nicht mit großen Steuererklärungen an, sondern wurde erst mal an kleinere Bürotätigkeiten gewöhnt. Zu meinen Aufgaben gehörte die Ablage, sprich Akten sortieren, Telefondienst, um den Kontakt mit Mandaten zu üben und die täglich Post sowie kleine Lohnabrechnungen. Als dann die Berufsschule anfing und ich einen näheren Einblick in die Materie hatte, wurde es ernster. Ich bekam meinen ersten „eigenen“ Mandanten. Es war ein kleiner Obstladen, für den ich die Buchführung erstellen und die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung anfertigen musste. Nun hieß es ihre Belege zu sortieren, ein Kassenbuch anzulegen und zu schreiben, das heißt, alles, was mein Mandant im Geschäft eingenommen hatte, musste notiert werden, sowie die Kontoauszüge des kleinen Betriebs kontieren. Ich bekam einen damals für mich unübersichtlichen und riesigen Kontenrahmen, an den ich mich zu halten hatte. Alles war auf einmal nur noch eine Nummer. Bank war nicht mehr Bank, sondern 1200.
Als ich feststellte, dass ich einen Durchblick bekam, einige Posten auswendig konnte, bereitete mir das sogar Freude. Auch lernte ich wahnsinnig schnell mit einer Rechenmaschine umzugehen, die ich brauchte, um die Posten auszurechnen. Die Schule, mein wöchentliches Highlight, da eine Abwechslung zum derweil monotonen Bürobetrieb, besuchte ich gerne und ich kam auch gut mit. Leider kam nach meinen ersten Erfolgserlebnissen nicht mehr viel. Zwar durfte ich mittlerweile kleinere Jahresabschlüsse erstellen und auch Gespräche mit Mandanten führen, doch spannend war das alles nicht mehr, im Gegenteil, ich kam nach der Arbeit relativ gelangweilt nach Hause, drehte am Wochenende auf, und ging morgens wieder unmotiviert dort hin, jedoch ohne meine Pflichten zu vernachlässigen. Die Atmosphäre im Büro war gut, wir verstanden uns, unser Chef war großzügig, bezahlte Ausflüge und sogar Betriebsreisen, doch der Spaß an der Arbeit beziehungsweise Zufriedenheit darüber, dass ich arbeiten konnte, Geld verdiente und keine Schwierigkeiten hatte, befriedigte mich in keiner Art und Weise.[sam id=“3″ codes=“true“]
Nach bestandener Abschlussprüfung wechselte ich in ein größeres Büro. Statt 20 netten und wohlgesonnenen Kollegen hatte ich auf einmal über 50, welche mich allerdings nicht besonders freundlich empfingen. Ich machte meinen Job. Erledigte meine mir zugeteilten Aufgaben, redete manchmal mit Mandaten und Krankenkassen, machte Lohnabrechnungen und fing wieder von vorne an.
Nach knapp einem halben Jahr in dem neuen Büro, sichtlich unzufrieden, 20 kg schwerer, entschied ich mich, meine berufliche Karriere im steuerlichen Bereich abrupt zu beenden. Natürlich habe ich Freundschaften mit manchen Kollegen geschlossen, mit denen ich nach wie vor einen regen Kontakt hege , die recht glücklich mit ihrer Wahl sind, doch sie konnten mich nicht für den Beruf weiter begeistern.
Ich machte mein Abitur nach, bestand, fing an zu studieren und bin alles andere als erbost darüber, dass ich erst eine Lehre machen „musste“. Mit Nichten, nebenberuflich kann ich dank meiner Ausbildung zur Steuerfachangestellten im Gegensatz zu meinen Studienkollegen in einem Büro arbeiten und habe so nebenbei eine gute Verdienstmöglichkeit. Es ist eben nicht alles umsonst.
von Isabell M. (26 Jahre – ehemalige Auszubildende zur Steuerfachangestellten)