Die Steuerberaterkammer Stuttgart ist die Berufskammer für alle Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften in Nord- und Südwürttemberg, einer Region von Wertheim am Main bis Friedrichshafen am Bodensee. Unser Mitgliederstand liegt zur Zeit bei etwa 8.000. Damit sind wir die fünftgrößte der insgesamt 21 Steuerberaterkammern in Deutschland (Was für eine Aufgabe Steuerberaterkammern haben, kannst du hier nachlesen.)
Detlef Radtke ist bei der Steuerberaterkammer Stuttgart seit 1982 für den Bereich Ausbildung zuständig, seit 1992 als Geschäftsführer für den Bereich Aus- und Fortbildung.
Wir freuen uns sehr, dass Herr Radtke sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zur Ausbildung zum Steuerfachangestellten zu beantworten.
Der Begriff „Steuer“ ist zuerst leider einmal negativ belegt. Dies stellen wir immer wieder in Gesprächen mit Jugendlichen bei Ausbildungsmessen, an denen sich die Steuerberaterkammer Stuttgart regelmäßig beteiligt, fest. Wer nicht gerade durch das Elternhaus, Freunde, Verwandte oder Bekannte schon einmal mit dem Thema in Berührung gekommen ist, kann sich unter dem Berufsbild eines Steuerberaters/einer Steuerberaterin oder der Ausbildung zum/zur Steuerfachangestellten in der Regel nicht viel vorstellen.
Wenn man aber mit den Jugendlichen ins Gespräch kommt, kann man das vielfach vorherrschende Vorurteil eines „trocken“ Ausbildungsberufes leicht entkräften, indem man auf die vielfältigen und spannenden Aspekte, die der Beruf mit sich bringt, eingeht. Um sich in der komplexen Steuerwelt zurechtzufinden, nehmen Unternehmen und Privatpersonen die Hilfe von Steuerexperten in Anspruch: Sie gehen als „Mandanten“ zum Steuerberater und treffen dort auch auf Steuerfachangestellte. Denn Steuerfachangestellte sind die qualifizierten Mitarbeiter des Steuerberaters oder der Steuerberaterin. Steuerfachangestellte unterstützen diese bei der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung der Mandanten aus Industrie, Handel, Handwerk, dem Dienstleistungsbereich sowie von Freiberuflern und Privatpersonen. Schon die Vielfalt der Bereiche, aus denen die Mandanten kommen, macht die tägliche Arbeit abwechslungsreich und spannend.
Von der komplexen steuerrechtlichen Materie sollten sich die angehenden Steuerfachangestellten nicht abschrecken lassen. Durch die Verzahnung der praktischen Ausbildung in den Kanzleien und die theoretische Wissensvermittlung in den kaufmännischen Berufsschulen werden die Auszubildenden mit allen wesentlichen Ausbildungsinhalten vertraut gemacht. Zur weiteren Unterstützung bietet die Kammer auch spezielle Lehrgänge für Auszubildende an, um das Wissen zu vertiefen. Durch die Kombination von Ausbildungskanzlei, Berufsschule und Lehrgang werden die Auszubildenden optimal auf die Prüfungen in dem Ausbildungsberuf „Steuerfachangestellter/Steuerfachangestellte“ vorbereitet.
Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, dass man als Steuerfachangestellter in einem stillen Kämmerlein Zahlenkolonnen in den Computer eingibt, kommt man auch als Auszubildender viel mit den Mandanten, Steuerbehörden, Sozialversicherungsträgern usw. in Kontakt. Angehende Steuerfachangestellte sollten daher Freude am Umgang mit Menschen haben und kommunikativ sein.
Als Dienstleister sollte ein freundlicher und offener Umgang mit den Mandanten selbstverständlich sein. Darüber hinaus sollte ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, das Interesse an steuerlichen und rechtlichen Fragen sowie die Fähigkeit zu analytischem Denken gegeben sein.
Für die Tätigkeit als Steuerfachangestellter sind sicher keine Kenntnisse der höheren Mathematik notwendig, aber ein Gefühl für Zahlen sollte man bei der täglichen Arbeit schon haben. Darüber hinaus gehört der Umgang und die Anwendung von Gesetzes- und Fachtexten zur täglichen Arbeit. Teamfähigkeit und ein selbstständiges und zuverlässiges Arbeiten runden das Profil ab.
Einige der genannten Fähigkeiten entwickeln sich natürlich erst im Laufe der Ausbildung. Niemand erwartet von den Auszubildenden, dass sie vom ersten Tag an perfekt sind.
Besonders hervorzuheben ist die Bereitschaft zur Verschwiegenheit. Auszubildende in einer Steuerkanzlei haben tagtäglich mit sensiblen Daten der Mandanten zu tun. Der vertrauliche Umgang mit diesen Daten ist ein hohes Gut. In unserer Informationsveranstaltung für die neuen Auszubildenden versuchen wir dies auch den Eltern der Auszubildenden nahe zu bringen, damit diese ihre Kinder nicht durch zu viel Nachfrage in Konflikte bringen.
Beides sind sicherlich auch spannende und interessante Berufe. Der wesentliche Unterschied sind aber die vielfältigen Karriere- und Aufstiegschancen, die sich im steuerberatenden Beruf bieten.
Die Ausbildung zum/zur Steuerfachangestellten eröffnet gute Chancen auf einen interessanten, sicheren und zukunftsorientierten Arbeitsplatz mit vielfältigen Perspektiven und zahlreichen Einsatzmöglichkeiten. So kann nach drei Jahren Berufstätigkeit als Steuerfachangestellte/r die Fortbildungsprüfung zum/zur Steuerfachwirt/in abgelegt werden. Steuerfachwirte übernehmen qualifiziertere und noch verantwortungsvollere Tätigkeiten in den Kanzleien. Die erfolgreiche Steuerfachwirtprüfung ist außerdem der erste Schritt zur Steuerberaterprüfung. So kann man bereits nach sieben Jahren im Beruf zu der sehr anspruchsvollen Prüfung zugelassen werden. Dieser Abschluss wiederum ermöglicht es, sich – auch ohne Studium – mit einer eigenen Praxis als Steuerberater/in selbstständig zu machen, oder als angestellter Steuerberater in einer größeren Kanzlei zu arbeiten.
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Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen wird im steuerbratenden Beruf nicht über Bedarf, sondern für den eigenen Mitarbeiternachwuchs ausgebildet. Bei den Absolventen der letztjährigen Abschlussprüfung haben wir eine Umfrage zum Verbleib im Beruf durchgeführt. Dabei haben knapp 92 % der Auszubildenden angegeben, dass sie im steuerberatenden Beruf verbleiben, davon 73,1 % bei ihrem bisherigen Arbeitgeber.
Jeder Beruf hat sich seiner Zeit und seinen Anforderungen anzupassen. Die zunehmende Digitalisierung in der Steuerverwaltung, aber auch in den Verwaltungsabläufen der Mandanten wird sich auch in der täglichen Arbeit der Steuerkanzleien wiederspiegeln.
Seit 1991 unterstützt das Förderprogramm der Bundesregierung „Begabtenförderung berufliche Bildung“ gezielt begabte junge Absolventinnen und Absolventen einer Berufsausbildung bei ihrer „Karriere mit Lehre“ mit einem Weiterbildungsstipendium. Finanziert wird das Programm vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Durchgeführt wird es von den Kammern und zuständigen Stellen für Berufsbildung.
Ansprechpartnerin in allen Fragen der Begabtenförderung berufliche Bildung ist die Stelle, bei der das Berufsausbildungsverhältnis einer/s Bewerberin/s eingetragen war. Die Steuerberaterkammer Stuttgart ist eine dieser Stellen.
Gefördert werden können qualifizierte Absolventinnen und Absolventen einer dualen Berufsausbildung, die bei Aufnahme in die Förderung jünger als 25 Jahre sind (Ausfallzeiten wie Erziehungszeiten, Grundwehr- und Zivildienst usw. werden angerechnet). Die Qualifizierung wird durch hervorragende Leistungen in der Berufsausbildung nachgewiesen: Kriterium hierfür ist in der Regel das Ergebnis in der Berufsabschlussprüfung mit der Note 1,9 oder besser.
Die Förderung als Stipendiat/in läuft über drei Jahre hinweg (Aufnahmejahr plus zwei Kalenderjahre). Die Förderung pro Stipendiat beträgt maximal € 6.000,- und darf in drei Förderjahren nicht überschritten werden. Der Stipendiat trägt einen Eigenanteil in Höhe von 10 Prozent der förderfähigen Kosten pro Maßnahme.
Daneben können besonders erfolgreiche Absolventen einer Berufsausbildung oder Aufstiegsfortbildung, die nach dem Abschluss der Berufsausbildung mindestens zwei Jahre Berufserfahrung haben, durch ein Weiterbildungsstipendium gefördert werden. Das Programm unterstützt Berufserfahrene, die besonderes Talent und Engagement bewiesen haben, bei der Durchführung eines ersten Hochschulstudiums. Die SBB-Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung führt im Auftrag und mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten durch und begleitet sie während des Studiums.
Wer seine Ausbildung mit dem notwendigen Engagement und Ehrgeiz, ohne dass dieser Ehrgeiz übertrieben sein muss, betreibt, durchläuft die Ausbildung meist ohne größere Probleme.
Ja sicher. Bei Problemen in der Ausbildung hat die Kammer immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Auszubildenden, aber auch der Ausbildenden. Bei Streitigkeiten versuchen wir zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Selbstverständlich werden diese Gespräche vertraulich behandelt. Erst wenn uns das Einverständnis der Auszubildenden vorliegt, setzen wir uns auch mit der Ausbildungskanzlei in Verbindung. Dabei wird versucht, Lösungswege aufzuzeigen, die für beide Seiten akzeptabel sind.
Manchmal stimmt einfach die Chemie zwischen dem Ausbildenden, den Kollegen und dem Auszubildenden nicht, was sich dann auch auf die Leistungen der Auszubildenden auswirkt. Mache Azubis fühlen sich in der Kanzlei zu wenig gefördert oder auch überfordert. Wenn in diesen Fällen die Vermittlung der Kammer nicht zum Erfolg führt, ist in seltenen Fällen auch ein Wechsel der Kanzlei ratsam.
Die direkten Ansprechpartner erfahren die Auszubildenden bereits bei einer Informationsveranstaltung zu Beginn der Ausbildung oder beim Besuch eines der von der Kammer angebotenen Lehrgänge für Auszubildende. Neben mir steht der zuständige Referent für den Bereich Aus- und Fortbildung, Herr Jäggle, als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die Bestehensquote, dieser Begriff hört sich einfach freundlicher an, liegt in unserem Kammerbereich seit vielen Jahren konstant hoch bei regelmäßig um die 96 bis 97 %.
Angesicht der moderaten Durchfallquoten kommt dies sehr selten vor. Leider schaffen es aber ab und an Auszubildende doch, die Prüfung dreimal nicht zu bestehen. Was diese Auszubildenden machen, wenn sie die Abschlussprüfung in dem Ausbildungsberuf „Steuerfachangestellter/Steuerfachangestellte“ endgültig nicht bestanden haben, entzieht sich i.d.R. unserer Kenntnis. Ein Fall, der ein paar Jahre zurückliegt, ist mir aber noch in Erinnerung. Diese Auszubildende hat in derselben Ausbildungskanzlei eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation absolviert.
Das muss jeder Auszubildende für sich selbst entscheiden. Wenn er sich in der Ausbildungskanzlei wohl fühlt, spricht nichts dagegen, in dieser Kanzlei weitere berufliche Erfahrungen zu sammeln. In der oben erwähnten Umfrage zum Verbleib im Beruf geben regelmäßig über zwei Drittel der Absolventen der Abschlussprüfung an, dass sie erst einmal bei ihrem bisherigen Arbeitgeber bleiben.
Wenn man sich die Statistik der Ergebnisse im Examen für Steuerberater der vergangenen Jahre ansieht, macht es auf jeden Fall Sinn, auch ohne Studium dieses Berufsziel über den sogenannten praktischen Berufsweg anzustreben. In Baden-Württemberg haben Examenskandidaten, die nach der Ausbildung zum/zur Steuerfachangestellten die Fortbildungsprüfung zum Steuerfachwirt/zur Steuerfachwirtin abgelegt haben, regelmäßig eine der besten Bestehensquoten.
Am Besten schneiden im Steuerberaterexamen in Baden-Württemberg i.d.R. die Absolventen der Dualen Hochschule ab. Insbesondere für Abiturienten ist die Ausbildung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im Studiengang „RWS-Steuern und Prüfungswesen“ eine interessante Alternative zur „normalen“ Ausbildung. Die Auszubildenden/Studierenden sind im Wechsel jeweils drei Monate in der Ausbildungskanzlei und an der Dualen Hochschule. Nach drei Jahren schließen sie die Ausbildung/das Studium mit dem akademischen Grad „Bachelor of Arts“ ab.
Bleibt neugierig und wissbegierig, stellt Fragen und zeigt Interesse. Eine regelmäßige Zeitungslektüre kann auch nicht schaden, denn interessante Gespräche mit den Mandanten können ruhig auch einmal über das rein Fachliche hinausgehen. Wer die Ausbildung als Chance begreift, dem stehen mit diesem Beruf alle Wege offen.
Vielen Dank an Detlef Radtke (Steuerberaterkammer Stuttgart) für das so umfangreiche und spannende Interview.