Nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule galt es, eine Ausbildung zu machen. Alle Klassenkameraden überlegten mehr oder weniger ernsthaft, welchen Beruf sie denn ausüben wollten.
Da wir in der Schule den Zweig Bürowirtschaft als Schwerpunkt gewählt hatten, kam für mich und meine Klassenfreunde in erster Linie ein Job in einem Büro in Frage. So bewarb sich jeder als Groß- und Außenhandelskauffrau, Bürokauffrau, Industriekauffrau oder eben Steuerfachangestellte – ich natürlich auch. Ehrlich gesagt, ich hatte weder von dem einen noch von dem anderen Beruf Ahnung. Also war mir erst einmal egal, was ich mache, hauptsache ich hatte eine Ausbildungsstelle.
Folglich schickte ich Bewerbungen raus. Ungefähr 14 Stück. Drei davon gingen an einen Steuerberater, der Rest flatterte Unternehmen ins Haus, die die oben genannten Stellen anboten.
Von diesen Unternehmen bekam ich Absagen. Von zwei Steuerberatern wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Eine Absage bekam ich von einem Steuerberater, dem meine Garderobe nicht gefiel. Jeans, pinkfarbenes T-Shirt und Turnschuhe entsprachen nicht dem gültigen Dresscode und überzeugten diesen potenziellen Chef nicht davon, dass ich eine Bereicherung für sein Büro wäre.
Das zweite Vorstellungsgespräch lief besser. Ich bekam die Stelle und die Lehre fing gut an. Allerdings hatte ich mich vorher nicht genau über den Beruf informiert. Wie sich später herausstellte, war das ein großer Fehler.
Meine Aufgaben während der Ausbildung beschränkten sich auf das Kontieren der Unterlagen, die kontierten Belege in den Rechner einzugeben, die Konten zu prüfen und Fachliteratur abzuheften. In den drei Jahren meiner Ausbildung habe ich im praktischen Bereich also nicht das gelernt, was ich hätte lernen müssen. Dementsprechend war die theoretische Ausbildung in der Berufsschule schwer und teilweise unverständlich.
Während meiner Ausbildung habe ich nicht eine Steuererklärung gemacht, ebenso wenig wurde mir beigebracht, wie man eine Bilanz oder Einnahmen-Überschussrechnung erstellt.[sam id=“3″ codes=“true“]
Obwohl ich die Prüfung nur gerade so bestanden habe, bekam ich im Anschluss an meine Lehre eine Stelle bei einem Steuerberater in meinem Wohnort. Dort wurde ich ins kalte Wasser geworfen und lernte mühsam alles, was in der Lehre an mir vorbeigegangen ist.
Acht Jahre habe ich in diesem Büro gearbeitet. Bilanzen und Einnahme-Überschussrechnungen konnte ich aber immer noch nicht erstellen. Aber wenigstens im Bereich Einkommensteuererklärung, Buchhaltung und Lohnbuchhaltung war ich fit.
Als dann mein Sohn zur Welt kam, schied ich aus dem aktiven Berufsleben aus. Als ich nach vier Jahren wieder arbeiten wollte, standen meine Chancen aufgrund meiner geringen Berufserfahrung aber sehr schlecht.
So machte ich mich selbständig und eröffnete eine Beratungsstelle für einen Lohnsteuerhilfeverein. Die Qualifikation dafür, 3 Jahre Berufserfahrung und eine abgeschlossene Ausbildung mit bestandener Prüfung, konnte ich vorweisen. Nun konnte ich nebenbei mein Wissen auffrischen und mich um die Kinder kümmern.
13 Jahre später kann ich sagen, dass ich mich viel mehr mit meinem Beruf hätte beschäftigen müssen. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und einem Vollzeitjob in einer Spielhalle ( Was anderes ist zur Zeit nicht zu kriegen, aufgrund meiner langen Zeit außerhalb des Berufes.) ist es doppelt so schwer wieder in den Beruf zurück zu kommen. Also entschloss ich mich irgendwann dazu, eine Weiterbildung zu beginnen. Alles unter einen Hut zu bekommen, fordert wirklich viel Kraft, die ich mir hätte sparen können.
Es ist wichtig für den weiteren Berufsweg und spart euch später viel Zeit, Ärger und Kraft.
Mit 42 Jahren habe ich nun die schwierige Aufgabe, nachzuholen was ich vorher versäumt habe, weil ich dachte, ich habe ja noch Zeit dafür. Mag sein, dass die Zeit später dafür vorhanden ist, leichter wird es aber auf keinen Fall.
von Tina H. (42 Jahre – ehemalige Auszubildende zur Steuerfachangestellten)