Was genau hat es eigentlich mit dem sogenannten Zufluss-Abfluss-Prinzip auf sich und was steckt dahinter? Wo genau liegt eigentlich der Unterschied zwischen der Bilanzierung und der Einnahmen-Überschuss-Rechnung? Und ganz wichtig: Was bedeutet das in der Praxis für dich?
Dieser und anderen Fragen möchten wir in diesem Artikel einmal für dich auf den Grund gehen.
Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz stellt eine vereinfachte Form der Gewinnfeststellung dar. Sie zeichnet sich durch eine schlichte Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen gegenüber den Betriebsausgaben aus. Es zählen lediglich die Betriebseinnahmen, die zugeflossen und die Betriebsausgaben, die abgeflossen sind.
Diese Vorgehensweise nennt man nun das Zufluss-Abfluss-Prinzip. Auf die zeitgerechte Zuordnung der Einnahmen beziehungsweise Ausgaben wird verzichtet. Entscheidend ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Vereinnahmung beziehungsweise Verausgabung. Das heißt für dich in der Praxis: Es existieren in der Buchhaltung keine Forderungen oder Verbindlichkeiten. Das Anlegen von Kreditoren und Debitoren beispielsweise ist nicht nötig.
Zum Vergleich: Bei einem Bilanzierer kommt es nicht nur primär darauf an, wann der Zeitpunkt des Geldflusses ist, sondern auch in welches Wirtschaftsjahr die Betriebseinnahme- beziehungsweise Ausgabe gehört (periodengerecht Erfassung). Auf diese Abgrenzung wird bei einem Einnahmen-Überschuss-Rechner aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
Außerdem ist es nicht zwingend notwendig, einen Kassen- beziehungsweise Bankbestand zu führen. Somit reicht es, wenn du die Einnahmen und Ausgaben gegen ein ergebnisneutrales Verrechnungskonto buchst wie zum Beispiel das Konto 1371 im SKR 03.
In den Genuss der Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommen alle Gewerbetreibenden, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und diese auch nicht freiwillig führen, sowie alle Freiberufler (Angehörige der sogenannten Katalogberufe gemäß § 18 EStG), insofern sie nicht freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen.
Um festzustellen, ob dein Mandant seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln darf, solltest du zunächst prüfen, welche Einkunftsart er oder sie erzielt. Gehört dein Mandant zu den Freiberuflern, darf er seinen Gewinn mittels Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln.
Erzielt dein Mandant Einkünfte aus Gewerbebetrieb, musst du checken, ob er gemäß Handelsgesetzbuch verpflichtet ist, Bücher zu führen. Das trifft zum Beispiel immer auf Formkaufmänner nach § 6 HGB zu. Es handelt sich hierbei um sogenannte Kaufmänner kraft Rechtsform (z.B. AG und GmbH).
Der § 1 HGB definiert den sogenannten Ist-Kaufmann. Selbiger benötigt einen Handelsgewerbe, das einen in Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Viele Arbeitnehmer, ein hoher Umsatz oder die Teilnahme am Wechsel- und Scheckverkehr können Indizien für einen solchen Betrieb sein. In diesem Fall ist dein Mandant verpflichtet, sich im Handelsregister einzutragen. Die Eintragung hat jedoch keine rechtserzeugende (konstitutive), sondern eine rechtsbezeugende Wirkung (deklaratorisch). Weitere Definitionen der Kaufmänner findest du in den §§ 1 bis 6 im Handelsgesetzbuch.
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Handelt es sich nun um einen Kaufmann laut Handelsgesetzbuch, ist dein Mandant automatisch verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen – auch nach dem Steuerrecht. Denn § 140 Abgabenordnung besagt: „Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.“ In der Fachsprache wirst du oft auf den Begriff “abgeleitete beziehungsweise derivative Buchführungspflicht” stoßen. Dahinter versteckt sich genau dieses Prinzip.
Insofern sich handelsrechtlich noch keine Buchführungspflicht ergibt, musst du dennoch weiterführend prüfen, ob sich eine Pflicht aus dem Steuerrecht erschließt. Die Abgabenordnung hat dafür folgende Grenzen festgesetzt. Werden diese überschritten, ist dein Mandant nach dem Steuerrecht verpflichtet zu bilanzieren.
In der Praxis solltest du schlussfolgernd immer die Grenzen für deine Mandanten im Blick behalten.
Zu den Besonderheiten der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zählt, dass die Umsatzsteuer zu den Betriebseinnahmen und die Vorsteuer zu den Betriebsausgaben gehören.
Nachfolgend gebe ich dir eine Aufstellung über typische Betriebseinnahmen- beziehungsweise Ausgaben. Die Aufzählung enthält alle wichtigen Einnahmen und Ausgaben, ist jedoch nicht abschließend.
Keine Betriebseinnahmen sind z.B.:
Keine Betriebsausgaben sind z.B.:
Ein etwaiges Disagio bei Krediten kann übrigens sofort in den Aufwand, insofern es marktüblich ist § 11 (2) EStG und bezahlt wurde. Bei einem bilanzierenden Unternehmen hingegen, musst du selbiges über die gesamte Darlehenslaufzeit verteilen. Weitere Informationen zum Thema Kredite findest du hier.
Neben dem Paragrafen 4 Abs. 3 EStG ist für dich vor allem noch der § 11 EStG von großer Bedeutung. Wie bereits erwähnt, entscheidet primär der Geldfluss, ob eine Einnahme oder Ausgabe in das jeweilige Wirtschaftsjahr gehört oder nicht. Doch du wirst es wahrscheinlich ahnen: Keine Regel ohne Ausnahme. Dazu zählen beim 4/3 Rechner ganz klar die wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben.
Für dich in der Praxis bedeutet das: Wurden regelmäßig wiederkehrende Einnahmen beziehungsweise Ausgaben innerhalb von +/- 10 Tage um den 31.12. gezahlt oder vereinnahmt, sind sie dem vorangegangen beziehungsweise dem folgenden Wirtschaftsjahr zuzuordnen. Davon betroffen sind z.B. Miete/Pacht, Versicherungsbeiträge, Strom, Telefon und Internet.
Weitere Voraussetzungen sind: annähernd gleiche Abstände zwischen den Zahlungen (monatlich, vierteljährlich usw.) und sie müssen mit Beginn oder Ende des Kalenderjahres zu dem sie wirtschaftlich gehören fällig sein, tatsächlich aber wenige Tage vor Beginn oder nach Beendigung vereinnahmt bzw. verausgabt werden.
Eine besondere Position nehmen dabei die Umsatzsteuervorauszahlungen ein. Am 10. Januar fällige und später eingezogene Vorauszahlungen dürfen dennoch als Betriebsausgabe im vorangegangene Wirtschaftsjahr angesetzt werden, wenn dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung vorliegt. Liegt die Fälligkeit nach dem 10. Januar weil dieser z.B. auf einen Samstag oder Sonntag fiel, verlängert sich die 10-Tages-Regel nicht und die Vorauszahlung ist im neuen Jahr anzusetzen.
Der Gesetzgeber sieht weitere Vereinfachungsregeln für den 4/3 Rechner vor. Liegen die Umsätze unter 17.500 Euro, dürfen Einnahmen-Überschuss-Rechner eine formlose Gewinnermittlung einreichen z.B. eine Excel-Aufstellung. Ist das nicht der Fall, musst du für deine Mandanten die Anlage EÜR zusammen mit der Einkommensteuererklärung einreichen.
Außerdem ist das Wirtschaftsjahr eines 4/3 Rechners, regelmäßig das Kalenderjahr.
Sollte dein Mandant die Grenzen des § 141 Abgabenordnung überschreiten, musst du nicht gleich in Panik ausbrechen. Bevor du zur Bilanzierung wechseln musst, ergeht eine Aufforderung seitens des Finanzamtes. Eher muss der Wechsel nicht vollzogen werden und im Falle einer Aufforderung gilt diese auch erst ab dem Jahr, das der Aufforderung folgt.
Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist kein Hexenwerk und richtet sich vor allem an kleinere Betriebe. Gerade für Azubis sind sie ein guter Einstieg in die Buchhaltung. Du solltest besonderen Augenmerk auf die typischen Betriebseinnahmen- und ausgaben legen und die 10-Tage Regel beachten. Dann wirst du in der Praxis gut zurecht kommen.
Wie sieht es bei dir aus? Hast du noch Fragen oder Ergänzungen? Schreib gern einen Kommentar oder besuche unser Forum. Wir freuen uns auf dich.
1 Comment
Ich hätte eine Frage. Überweisung am 31.12 durchgeführt..Valuta 03.01. Bei der Überweisung handelt es sich um Betriebsausgaben für das Büro. In welches Jahr werden die Kosten zugeordnet , wenn die Buchung bei der Bank erst am 03.01 erfolgt.
Ich möchte diese Kosten gerne für das Jahr bis 31 12 geltend machen. Freue mich auf die Antwort. Danke