Lebenslanges Lernen steht für mich im ersten Moment dafür, stets wissbegierig zu bleiben, sich nicht auf dem Wissen der Schulbildung, der späteren Berufsausbildung, dem Studium auszuruhen.
Manchmal bedeutet lebenslanges Lernen aber auch Umbruch und noch einmal einen völlig anderen beruflichen Weg einzuschlagen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist wahrlich ein Abenteuer.
In meinem Fall begann die Mission Berufsneustart nach zwei missglückten Studienversuchen. Erster Plan nach dem Abitur war es, das Diplom in Soziologie zu ergattern (bis zum Vordiplom habe ich es geschafft) und einige Zeit später, als frisch gebackene Mama, kam mein lang gehegter Traum eines Psychologiestudiums zu Tage.
An der Fernuniversität in Hagen war es möglich, von zu Hause aus, mit Kind, zu studieren.
Statistik war fester Bestandteil sowohl im Soziologie- als auch im Psychologiestudium.
Die damalige Angewohnheit, bei Unverständnis abstrakter mathematischer Formeln, Regressionsanalyse & Co. nicht sofort gegenzusteuern und MEHR zu recherchieren und zu lernen, sondern den Kopf in den Sand zu stecken und mir einzureden:
Einmal Mathe-doof, immer Mathe-doof, brach mir das Genick.
Dass dieser Glaubenssatz bzgl. Mathematik ein Trugschluss ist, durfte ich erst einige Jahre später in meiner Umschulung zur Steuerfachangestellten erfahren.
Zu der Umschulung kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Gespräch mit einer netten Dame von der Agentur für Arbeit. Wie es denn jetzt weitergehen sollte, beruflich.
29 Jahre. Abitur. Noch immer keine abgeschlossene Ausbildung.
Sie schlug mir ohne großes Zögern eine Umschulung vor. Ich war zuerst verdutzt, dachte, dies wäre nur mit einer vorher bereits abgeschlossenen Berufsausbildung möglich.
Nein, das wäre seit einiger Zeit anders, meinte meine Beraterin.
Eine Liste auf ihrem PC kam zum Vorschein: Dies wären alle Berufe, die ich mittels Umschulung lernen könnte. Schnell selektierte ich. In Frage für mich kam vorerst nur Rechtsanwaltsfachangestellte.
Ich mag die deutsche Sprache. In die Jura-Welt konnte ich bereits im Soziologie-Studium abtauchen und fand sie spannend.
„Steuerfachangestellte, was halten Sie davon?“, fragte die Dame. Ich musste unfreiwillig lachen. – „Äh, ich war immer schlecht in Mathe in der Schule damals.“, sagte ich und dachte, dieses Thema hätte sich nun erledigt.
Sie erwiderte, dass das mit den Steuern nicht wirklich Mathematik wäre, es gäbe ohnehin Formeln für alles. Zudem würden die Dozenten an den Bildungsträgern bei einem Wissensstand von Null beginnen, was das Thema Steuern, Buchhaltung etc. angeht (dass dies nicht unbedingt den Tatsachen entsprach, wurde mir gleich zu Beginn der Umschulung klar).
Nach dem Gespräch ließ ich es mir durch den Kopf gehen, sprach mit meinem Mann und meiner Familie. Alle meinten, es wäre eine gute Möglichkeit, innerhalb von nur zwei Jahren eine echte Chance auf dem Stellenmarkt zu erhalten.
Madame Vernunft und Miss Ratio gewannen die Schlacht. Ein paar Monate später begann ich die Umschulung.
Die Möglichkeit einer Umschulung zur Steuerfachangestellten gibt es erst seit wenigen Jahren. Die Steuerkammer Sachsen hat einen sehr konservativen Ruf.
Die Herren dort (ja, es sind wirklich fast nur Herren dort in der Führungsriege 😉 ) waren lange Zeit der Meinung, dass man eine Umschulung zum/zur Steuerfachangestellten nicht innerhalb von zwei Jahren absolvieren könnte, wo eigentlich drei Jahre angedacht sind.
Ganz so im Unrecht sind sie meiner Meinung damit auch nicht.
Das Pensum ist enorm. Nach einem dreiviertel Jahr Theorie an der Schule wird man ins kalte Wasser des Praktikums geschmissen. Anhand dieser Erfahrung bestätigte sich für mich wieder die Weisheit, dass Theorie und Praxis zwei völlig verschiedene paar Schuhe sind.
Es gibt meines Wissens nach auch Bildungsträger, bei denen nicht erst der komplette Theorie-Block abgehandelt wird und danach die restliche Zeit in einer Kanzlei stattfindet (nur unterbrochen von einer Woche Vorbereitung auf die Zwischenprüfung, die man allerdings als Steuerfach-Umschüler nicht bestehen muss – ein Vorteil 🙂 ), sondern eine Art Staffelung von Theorie und Praxis stattfindet.
Angesichts meiner Erfahrungen mit der Umschulung würde ich letztes mittlerweile vorziehen.
In meinem Kurs waren wir 13 Umschüler. Die Altersverteilung war recht heterogen, 3 waren über 40, die jüngste Ende 20.
Anfangs noch beschwingt von der neuen Situation und dass wir alle in einem Boot sitzen, gab es nach und nach einige Diskussionen und sogar Streitereien zwischen den Schülerinnen (wir hatten nur 2 männliche Teilnehmer und die waren friedlich). „Wie in der Schule damals…“, dachte ich.
Gleich zu Beginn geschah es auch, dass wir sehr unzufrieden mit einem Dozenten waren
(Zitat Schulleitung: „Der Herr T. fühlt sich eben provoziert, wenn man ihm Fragen stellt.“…)
und dieser nach einigem Hin und Her mit der Schulleitung durch einen anderen ausgetauscht wurde.
Da dieser Dozent Buchhaltung unterrichtete und ich von dieser Thematik inhaltlich im Unterschied zu vielen anderen aus dem Kurs noch nie etwas gehört hatte, war das ein denkbar schlechter Start für mich als Mathe-Phobikerin.
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Was das Praktikum angeht, bin ich sehr zufrieden. Mein Chef, die Kollegen – alle sind sehr freundlich und ich bin wider Erwarten nicht „die Praktikantin“, die Kaffee kocht und Berge von Akten kopieren darf.
Stattdessen: eigens verfasste Mandantenrundschreiben, Vorträge über Steuerthemen, Mandantengesprächen beiwohnen etc.
Die Vermutung meinerseits lautet: Vielleicht spielt an dieser Stelle auch mein Alter eine Rolle. Ich glaube, dass es „leichter fällt“, ein(e) 16- 17 -Jährige(n) kopieren zu lassen, als eine 30-Jährige. Obwohl ich es in keinem Fall gutheiße.
Alles in allem habe ich durch die Umschulung durchweg profitiert.
Da ich, was Begabung und Interesse bzgl. dieses Metiers angeht, keine Erwartungen gehegt hatte, bin ich sehr überrascht über das lodernde Feuer in mir beim Bearbeiten von Steuererklärungen 😉
Meine Mathe-Angst wurde besiegt, ich habe das Mysterium der Buchhaltung begonnen zu verstehen, lerne den typischen Kanzleialltag kennen…
Die Kanzlei will mich übernehmen, wenn alles weiter so glatt läuft.
Dann steht nur noch die Prüfung zwischen mir und den Steuern…
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Hast du auch eine Umschulung gemacht? Ich freue mich, wenn du mir von deinen Erfahrungen in den Kommentaren berichtest oder komm in unser Forum und erzähle uns von deiner Umschulung.
1 Comment
Umschulung zur steuerfachangestellte in Teilzeit war meines erachtens nicht sehr zufriedend stellend.
İch bin Mutter von 3 Kindern und es war gar nicht einfach.
İch gehöre zu den einen die das erste mal im Umkreıs von Lippe diesen Versuch gestartet hat.
İm nach hinein ist es sehr schwer die Umschulung zu bestehen.
İch bin jetzt zum 3. Mal wieder rein und hoffe nur noch, das ich belohnt werde.
Anfangs sehr grosse Schwierigkeiten wie z.b. fehlende Dozenten im Berreich Steuerlehre.
İch hoffe das keiner wieder diese schlechten Erfahrungen machen muss.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra